Nar[r]zisst - der irre TRÄUMER

Narzissten idealisieren ihre Wunschvorstellung eines eigenen Selbst. Sie assoziieren sich mit allen Dingen, die diese Wunschvorstellung erhärten. Sie tun dies, weil ihr wahres Selbst von den ersten Bezugspersonen abgelehnt oder als defekt deklariert wurde.

 

Im Innern des Narzissten fließt jedoch noch immer sein Lebensstrom, wie in jedem anderen Menschen auch; der sein ganzes Leben lang versuchen wird in ihm durchzubrechen – denn ein Strom findet immer (s)einen Weg. Er bohrt solange, bis er es schafft oder in sich selbst ertrinkt. Die Fassade – aus Schutz, aber auf einer Lebenslüge errichtet, ist seine Talsperre. Der Strom wird mit Gewalt entgegen seiner Natur zurück gezwungen, während die Talsperre hoch und stolz das Habitat in ein künstliches und perfektes Naturschutzgebiet umändert. Die Wellen des Stroms peitschen gegen seine Mauern, doch er bleibt regungslos und standhaft jenen Versuchen gegenüber.

 

Bildet sich, in seiner einzementierten Mächtigkeit, das Toben seines Lebenselixiers zu ignorieren, ein. Er ist nun die Talsperre geworden; ein ausgeklügeltes System und allen anderen Göttern trotzend.

In seiner Allmacht überwacht er Feld und Flur und regelt das Schicksal aller Lebensformen, im Namen des Guten, des Besseren, des genehmen Nutzens.

 

Doch irgendwann schlängelt sich ein kleiner Strom an ihm vorbei, schnuppernd, forschend, interessiert. An seinen Rändern wachsen Blumen und das Leben entfaltet sich in ganzer Pracht. Er nimmt sie wahr und beobachtet präzise ihren Verlauf. Wo kommt sie her? Sie ist kein Rinnsal, auch kein Bach; sie ist ein Strom – außerhalb seines Systems. Unruhe breitet sich aus. Was hat sie vor? Sie ist so wunderschön. Was ist sie? (Wie Viktor (Vik- "Thor") mich immer fragte: "Woher kommst DU?" Ich komme aus Deinen Träumen, sagte ich dann immer. Aber nun hast du es geschafft, ich bin weg, nicht mehr dein Rädchen im Getriebe, deine Buchhalterin, Geschäftsführerin deines Unternehmens, hochbelastbare Assistentin, Freundin (nicht aber Geliebte) und Kämpferin gegen deine zahlreichen Gläubiger mit allen mir zur Verfügung stehenden juristischen Mitteln. Ich musste gehen, das war ich meinem Stolz schuldig, aber vergessen wirst du mich nie!

Das waren Deine letzten Worte, bevor du vergeblich versuchst, nun alleine Kaninchen aus dem Hut zu zaubenrn. Ich wünsche dir viel Glück beim ver-Eine-n!!

 

Der kleine Strom spürt den kleinen Strom in ihm und möchte sich vereinen. Obgleich steif und standhaft, zuckt es in ihm zusammen – er ist berührt, an einer weit hinter seinen Mauern liegenden Stelle. Was geschieht mit mir? Er scheint etwas wiederzuerkennen; eine Freiheit, eine Frohnatur, die eine Ungezwungenheit. In einem Hauch eines Momentes drohen seine Mauern an diesem Druck zu zerbrechen – an diesem kleinen Strom. Ein unscheinbares Flüsslein, am Rande seines Reservoirs, bedroht die Standhaftigkeit in ihm, die künstlich errichtete Omnipotenz. Er schaut ihr aufmerksam nach und spürt das Aufwallen eines lang unterdrückten Quells in ihm, das nach ihr nervenzerrend verlangt – nach ihrer Natur. Er möchte in ihr onduliert werden, sie integrieren, sie fühlen, ihr Plätschern in sich hören. Doch er ist nicht mehr dieser Strom – er ist die Sperre, die ihn zurückhält. Er war zu klein, zu trübe, zu unscheinbar, zu wild, voller Bögen und Windungen; er war nicht eines Flusses würdig. Was will dieser dumme Strom von mir? Erkennt sie nicht, dass es keinen Strom in mir gibt? Sieht sie nicht was ich bin? Sie erinnert ihn an etwas was er war, was er wurde und was er tut. Und so schloss er seine Augen, um sie nicht mehr zu sehen. Er lässt sie solange verschlossen, bis sie sich einen neuen Weg durch Mutter Natur bahnt. Doch er kann ihr Plätschern noch immer hören. Das Ungewollte in ihm hört sie noch immer.

 

Der Zorn über das was ist, was war und was wurde, bäumt sich hinter ihm auf. Er will sie nicht mehr hören. Ihr Plätschern kreischt bis in seine tiefen Tiefen. Sie droht alles mit ihrer wunderschönen Stimme zu zerstören; all das im Schweiße erbaute versucht sie zu vernichten. So reißt er seinen Rechen auf und flutet in ganzer Wut das glückselige Tal, was er doch einst zu behüten versprach – über das er sich doch so grandios dereinst über allem und alles stellte. Er gab sich seinem Zorne hin, bebend wie einst Thor, der Gott des Donners, und ließ nichts von seiner Allmacht verschont. Dann war es plötzlich still.

Er atmet heftig. Eine Träne lief an ihm hinunter. Vielleicht war es auch nur ein Tropfen des Sees.

 

Er lauschte.

Das Plätschern war fort.

Er öffnet seine Augen.

Sie war fort - vom Untersee verschlungen. Vernichtet.

Er richtet seine Fassade und wacht erneut erhaben über sein Tal.

Doch ein Strom hört niemals auf ein Strom zu sein, egal womit er verschüttet wurde. Die Natur wird sich immer durchsetzen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.

 

 

N a r c i s s t

 

Ein Narcisst wird sich nie zu seinen Handlungen bekennen.

Stattdessen präsentiert er stets eine Erzählung, in der er

entweder als Retter oder als Leidtragender erscheint,

jedoch niemals als Verursacher!